Arbeit in Fortschritt

Gastbeitrag über das Verhältnis von Kunst, Innovation und Fortschritt im Katalog der Kunstmesse Preview 2010.

“Es gibt keinen Weg, der aus dem Neuen führt, denn ein solcher Weg wäre auch neu.”

Boris Groys, Über das Neue

“Vorne ist da, wo sich keiner auskennt”, lautet ein geflügeltes Wort in der Wirtschaft. Als typischer Truismus trifft der Satz aber gleichermaßen auch auf andere Felder zu, die Kunst beispielsweise. Die Suche nach dem Neuen – die buchstäbliche Neugier – scheint dem Menschen in die Wiege gelegt, auch wenn es genügend Gegenbeispiele von Kulturen und Jahrhunderten gibt, die ganz gut ohne Innovationen auskamen. Das neuzeitliche Abendland jedenfalls basiert auf dem Fortschrittsgedanken: dass es so, wie es ist, nicht bleiben muss und dass es eigentlich nur besser werden kann. Und auch wenn der Weg, der vom Faustkeil zur Computermaus und darüber hinaus in die Zukunft führt, ausgesetzt und schlecht markiert ist, so ist zumindest für die Wirtschaft klar, was sie vorne, wo sich keiner auskennt, sucht bzw. worum es ihr geht, wenn sie sich dorthin vorwagt: “Turning ideas into financial returns” lautet die schlichte Definition für Innovation, wie sie exemplarisch die Boston Consulting Group verwendet.

Die Suche nach neuen Profitmöglichkeiten bringt erst jene Dynamik in den wirtschaftlichen Wachstumsprozess, der aus dem alten Marktgleichgewicht ein neues auf höherem Niveau macht. Es ist das Verdienst von Joseph Schumpeter, diese Betrachtungsweise des Kapitalismus gegen die im Vergleich betulich wirkenden Gleichgewichtsmodelle der Klassiker stark gemacht zu haben. Die viel zitierte “schöpferische Zerstörung” beschreibt er als “Prozess der Mutation, der unaufhörlich die Wirtschaftsstruktur von innen heraus revolutioniert.” Der ökonomische Fortschritt erscheint darin als unsauberes Schlachtfeld, als Hauen und Stechen unter konkurrierenden Entrepreneuren, die mit visionären und waghalsigen Projekten die Grenzen des Mach- und Vorstellbaren immer weiter hinausschieben. Als Guglielmo Marconi den ersten Funkspruch über den Atlantik absetzte, gingen die Aktienkurse der Überseekabel-Gesellschaften in den Keller. Wo gehobelt wird, fallen Späne.

Blaue Blume blauer Ozean

Gegen das Funkgerät, das Fahrrad oder das Filesharing erscheint die große Masse dessen, was heute seitens der Wirtschaft als Innovationen angepriesen wird, als reines Me-too-Produkt, also Nachahmung, oder bestenfalls inkrementelle Innovation, also kosmetische Verbesserung ohne echten Mehrwert. Gerade deshalb aber gibt es für die Managerkaste aktuell kaum ein anderes Thema. Nachdem man die Wertschöpfungsketten per Outsourcing einmal um die Welt gewickelt, nach der Six-Sigma-Methode das letzte an Effizienz aus den Prozessen gequetscht und sich mit dem magischen Realismus der Finanzspekulationen verzockt hat, merkt man nun, dass zum Wachstum kein Weg an der Innovation vorbeiführt. Die Blaue Blume, nach der alle suchen, ist die transformatorische Innovation, die völlig neue Marktfelder eröffnet. Mit der “Blue Ocean Strategy” haben die Berater W. Chan Kim und Renee Mauborgne eine populäre Metapher dafür geliefert: Während im roten Ozean der existierenden Marktfelder ein blutrünstiger Verdrängungskampf tobt, erwarten den waghalsigen Odysseus, der mutig in den blauen Ozean nicht existierender Märkte vordringt, magische Wachstumsraten qua fehlender Konkurrenz und biblische Profite. Prophet und Posterkind dieses gelobten Landes hinter dem Regenbogen ist Steve Jobs, der Apple vom Rande des Bankrotts mittels grundstürzender Innovationen wie iPod, iPhone und iPad zum wertvollsten Technologieunternehmen der Welt gemacht hat und von dem berichtet wird, dass er mitten in einer schwierigen Umstrukturierungsphase eine Schiffsladung mit Marmorplatten, die für den ersten Apple-Flagshipstore in New York bestimmt war, im italienischen Heimathafen stoppen ließ, um dort eigenhändig die Maserung zu kontrollieren. Das Management-Wunderkind als Geniekünstler? Wir kommen noch darauf zu sprechen. Aber wie sieht das eigentlich auf dem Feld der Kunst aus? Was hat der Innovationsbegriff in der Kunst zu suchen?

Innovative Kunst

Eine ganze Menge und doch auf den ersten Blick herzlich wenig. Natürlich erhebt jedes Kunstwerk für sich den Anspruch, eine Innovation darzustellen. Sonst wäre es bloße Dekoration. Andererseits funktionieren Kunst und Wirtschaft – den hypertrophen Kunstmarkt einmal außen vor – immer noch nach unterschiedlichen Koordinatensystemen. Kunst macht Probleme, Ökonomie ist an effizienten Lösungen interessiert; Künstler stiften Vieldeutigkeit und Differenz, erfolgreiche Marken haben ein klares Alleinstellungsmerkmal. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Das Wortpaar “innovative Kunst” wäre somit entweder ein Pleonasmus oder eine leicht verrutschte Beschreibung dessen, was Kunst im Kern ausmacht. Passender könnte man mit Niklas Luhmann oder meinetwegen Rainald Goetz “Aktualität” als Kriterium in Anschlag bringen – mithin als Grund, warum uns manches nach kurzer Zeit bereits dated erscheint, anderes immer wieder neu relevant. Wieder andererseits: Die Kunst geht mit der Zeit und orientiert sich am Fortschritt. Durch die Wissenschaft inspirierte Erfindungen wie die Zentralperspektive revolutionierten die Sehgewohnheiten. Der Futurismus wollte die Schönheit eines fahrenden Rennwagens ins Bild bannen. Jedes neue technische Medium vom Kupferstich bis zum Internet hat seine eigenen Kunstformen und Genres hervorgebracht.

Blickt man auf die Kunstgeschichte als Ganzes, die Abfolge der Stile und Moden, dann erscheint sie über weite Strecken als ungerichteter evolutionärer Suchprozess, als Aneinanderreihung von Schumpeter’schen Mutationen und Revolutionen aus dem Inneren heraus – und damit als lange Kette künstlerischer Innovationen. Wobei, bei Licht besehen, die wirkmächtigsten Innovationstreiber zumeist nicht handwerkliche oder technische Neuerungen – also Veränderungen der materiellen Basis – waren. Die eigentlichen Sprünge ereigneten sich im Überbau der Theorie, bei den Paradigmen, was Kunst war und ist und was fürderhin als solche gelten darf. Im Jahr 1964, unter dem Einfluss von Warhols Brillo-Boxen und entsprechendem Erklärungsdruck stehend, bringt der Kunsttheoretiker Arthur C. Danto das in seinem bahnbrechenden “Artworld”-Essay auf den Punkt: “Es hätte vor fünfzig Jahren noch keine Kunst sein können, aber genau so, lässt sich argumentieren, konnte es im Mittelalter keine Luftfahrtversicherung geben und kein Etruskisches Tipp-ex. Die Welt muss reif für gewisse Dinge sein, die Kunstwelt wie die reale Welt.”*

Das Austesten Abertausender von Plateaus daraufhin, ob sie als neues Paradigma für künstlerische Positionen taugen, macht das eigentliche Spiel mit dem Neuen innerhalb der Kunstwelt aus. Und der Rückbezug, die Neubewertung des Alten liefert die Differenz, die eine neue Differenz eröffnet, siehe etwa Joseph Beuys’ Arbeit “Das Schweigen des Marcel Duchamp wird überbewertet.” Schöpferische Zerstörung gehört dabei ebenso zum Repertoir, man denke an Arnulf Rainers Übermalungen oder als aktuelles Beispiel Michael Landys “Art Bin”.

Furthur!

Eine dialektische Sonderrolle in dem Spiel nehmen die künstlerischen Avantgarden ein, die das gelobte Neuland nicht allein auf dem Feld der schönen Künste suchten, sondern in einer neuartigen und holistischen Verschränkung von Kunst und Leben. “Furthur!” (sic) stand als Destinationschild vorn am Day-Glo-angesprühten Bus, mit dem in den frühen Sechzigern die Merry Pranksters um Ken Kesey die USA bereisten: als Boten der psychedelischen Revolution, immer auf der Suche nach der nächsten Phantasie – “the current fantasy” -, immer darauf aus, die Grenzen des sozial Darstell- und Praktizierbaren herauszufordern. Wer Tom Wolfes Prankster-Chronik “The Electric Kool-Aid Acid Test” zu Ende liest, wird erfahren, dass dieses “Weiter!” im Drogenrausch steckenbleibt, vermutlich mehr noch, weil das Ziel von vornherein unklar war.

Was Kesey und seine Gefolgsleute allerdings nolens volens bewirkten, war, dass sie mit der vermeintlichen psychedelischen Befreiung die Tür zu einem ganz anderen blauen Ozean aufstießen: dem der Pop-Industrie, die für Jahrzehnte das größte Wachstumsfeld innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft bilden sollte. Bohemianistisches Kapitalismus-Makeover. Diedrich Diederichsen erinnert sich in “Sexbeat” an den historischen Umschlagpunkt Anfang der 1970er als das “Weiter nicht mehr weiter bedeutet, sondern dass weiter nichts mehr ist, als das Andere, vor dem Ken Kesey bei dieser Rede vor dem Vietnam Commitee 1966 immer sprach, als er davor warnte, denen ihr Spiel zu spielen.” Als einziger Ausweg aus dem vergurkten 20. Jahrhundert erschien im damaligen Hipster-Kosmos der Rückwärtsgang: “Historizität als Waffe”.

Etwa zeitgleich wurde auch in der Kunstwelt das seismische Beben registriert, das von der Implosion des Weiter herrührte. “Spätestens 1970 hat die Kunst eine Schwelle erreicht, nach der alles erlaubt zu sein scheint”, schreiben Christoph Menke und Juliane Rebentisch in ihrer Einleitung zum Sammelband “Kunst Fortschritt Geschichte”: “Durch diese Situation ist kunsttheoretisch insbesondere der Begriff des Fortschritts in die Krise geraten.” Weil es im Posthistoire aber bald langweilig wurde und es ganz ohne das Weiter eben doch nicht ging, kam neben dem eher zeitlosen “intensiven ästhetischen Erleben” die “Entgrenzung” ins Spiel: “eine Art Metafortschritt, nämlich ein Zugewinn an Reflexion über das paradoxe Verhältnis zwischen Ästhetik und Technik.” Mit anderen Worten: Das Weiter entweicht auf die nächsthöhere Ebene.

Gibt es demnach also doch heute noch – oder wieder – einen Fortschritt in der Kunst, indem man ausdrücklich und vorsätzlich “denen ihr Spiel” mitspielt? Auch Elke Buhr, stellvertretende Chefredakteurin von “Monopol”, findet: “Kunst ist zur Benutzeroberfläche geworden, ein soziales Tool, ein Experimentierfeld für alle gesellschaftlichen Bereiche: Ökologie, Sozialarbeit, Kino etc.” Aktueller Hot Topic: Der Klimawandel. Visionäre Architekturen wie das “Walking House” der dänischen Künstlergruppe N55 bei der Emscherkunst 2010 oder die Klimakapseln, die Friedrich von Borries kürzlich in Hamburg zeigte, eröffnen eine neue Dimension der Problembehandlung orthogonal zu Politik und Naturwissenschaften. Ein bisschen, so Buhr, sei das wie mit der Weltraumforschung, wo aus den Hightech-Labors der NASA über nichtlineare Wirkungsketten nützliche Dinge für den Haushalt abfallen.

Nun sollte man diesen Spinoff-Effekt nicht überschätzen: Die Teflonpfanne etwa hat mit dem Weltall nicht das Geringste zu tun; Teflon erfand die amerikanischen Firma DuPont bereits im Jahre 1938, und ein Franzose hat sich 1954 die Beschichtung einer Stahlpfanne damit patentieren lassen. Rückblickend erscheint die gesamte bemannte Raumfahrt eher als ausgesprochen kostspieliges Genre der Happening- und Performancekunst. Dennoch: Die Kunst als interdisziplinäres Weltraumlabor für andere gesellschaftliche Bereiche und Problemstellungen inklusive der Wirtschaft – das ist neu. Und so neu auch wieder nicht.

Artful Making

Historischer Referenzpunkt für die produktive Vernetzung der Disziplinen ist und bleibt die Renaissance, wo sich Naturwissenschaften, schöne und angewandte Künste wechselseitig durchdrangen und Neuerungen wie die kopernikanische Wende, die Infinitesimalrechnung, die beweglichen Lettern und das Sonett hervorbrachten. Der amerikanische Medientheoretiker Douglas Rushkoff sieht uns heute wieder an einem solchen Punkt der “Wiedergeburt alter Ideen und Werte im neuen Kontext” und der “Innovation auf der breitestmöglichen Ebene”; einem Punkt, an dem wir “die Freiheit besitzen, Künste, Regierungsformen, Religionen und Industrien neu zu definieren.”

Auch die Engführung von Kunst und Wirtschaft wurde immer wieder versucht. Und das nicht mal ohne Erfolg. Der Werkbund strebte ebenso wie die angelsächsiche “Arts & Crafts”-Bewegung eine Welt an, “in der Kunst und Ökonomie dieselbe Sprache sprechen”. Das Bauhaus entstammt der Idee, die mittelalterliche Bauhütte für das Zeitalter industrieller Massenproduktion hochzurüsten. Kaum eine Zeit erscheint günstiger als die heutige, diesen Versuch wieder aufzunehmen, sich zusammen ins Bett zu legen und Innovationen zu zeugen: Fruchtbare Tage, nicht nur, weil sich das Rollenmodell des Künstlers, wo er nicht selbst schon als Markenprodukt und mittelständisches Unternehmen auftritt, wandelt: hin zum ökonomisch denkenden Schnittstellen-Manager, der in der Lage ist, unter Unsicherheit und Zeitdruck ein bunt zusammengewürfeltes Produktionsnetzwerk zu orchestrieren. Sondern auch, weil die Wirtschaft gerade sehr empfänglich ist für genresprengende Ideen und Impulse von außen. Weil sie nämlich feststellen musste, dass sie mit ihren büro- und technokratischen Verfahren des Innovationsmanagement-Mikados immer nur im Korridor des Erwartbaren landet, im roten Ozean der generischen Konkurrenz.

“Artful Making – What Managers Need to Know About How Artists Work” lautet ein typischer Titel aus dem anschwellenden Korpus der Management-Literatur, die den Blick über den Tellerrand und hinüber zu den Künsten propagiert. Bereits um die Jahrtausendwende priesen Franz Liebl und Wolfgang Ullrich das “Brand Hacking” als Innovationswerkzeug an: Künstler sollten sich respektlos der Marken bemächtigen dürfen und Unternehmen daraus neue Perspektiven gewinnen. Die aktuelle Phantasie, die gerade den Durchmarsch bis auf Vorstandsebene probt, heißt “Design Thinking”. Unternehmenslenker sollen bei der Neuerfindung von Produkten, Prozessen und Geschäftsmodellen wie Designer zu Werke gehen: vorurteilsfrei und optimistisch, in heterogenen Teams und mit möglichst vielen Iterationsschleifen. Statt um inkrementelle Verbesserungen geht es dabei mehr um das Design komplexer Systeme, die “ganzheitliche Kundenerfahrung”. “Think outside the box” lautet das passende Mantra.

Open Innovation

Die nachhaltigste Neuerung im Bereich Innovation schließlich betrifft das Wesen von Innovationen selbst: weg von der abgeschotteten Insellösung, die in den Forschungssilos von Konzernen ausgebrütet und zur Marktreife getrimmt wird, hin zu offenen und kollaborativen Multi-Stakeholder-Prozessen. Der 2008er OECD-Report “The New Nature of Innovation” listet etliche Beispiele auf, wie auf offenen Entwicklungsplattformen unter Einbeziehung von Kunden, Zulieferern und Wettbewerbern “Open Innovation” praktiziert und das berüchtigte “Not invented here”-Syndrom überwunden wird. Allerdings ist diese Botschaft längst noch nicht überall angekommen, geschweige denn verstanden worden.

Erst allmählich setzt sich gegenüber dem rein technologisch ausgerichteten Konzept von Innovation ein erweiterter Innovationsbegriff durch, der auch solche Innovationen in den Blick nimmt, die sich nicht unmittelbar in harten Zahlen messen lassen und in barer Münze niederschlagen. Soziale Innovationen stehen in keinem Verhältnis zu den verausgabten Mitteln für Forschung und Entwicklung und schlagen sich nicht in der Zahl der Patentanmeldungen nieder. Neue Praktiken, Handlungsmodelle und Formate lassen sich in den seltensten Fällen patentieren. Auch haben sie meist nicht einen oder nur wenige identifizierbare Urheber, sondern entstehen im sozialen Raum, werden adaptiert, angepasst und weiterentwickelt. Keiner kann zum Beispiel sagen, wie genau das Phänomen Co-working entstanden ist, trotzdem breitet es sich als zeitgemäße Arbeits- und Lebensform gerade in den Metropolen aus und setzt enormes kreatives Potential frei.

Aus Großbritannien, das in der politischen Wahrnehmung und Wertschätzung seiner Kreativwirtschaft immer ein paar Längen voraus ist, erreicht uns jüngst das Konzept der “Hidden Innovations”. Gemeint sind eben solche Neuerungen unterhalb des Radars der Statistik, die sich aus einem Hinterland von Ideen speisen, oft als solche gar nicht bewusst wahrgenommen werden, aber großen Einfluss auf die Innovationsfähigkeit und damit Prosperität eines Standortes haben, weil sie den Humus für andere Innovationen bilden. Sie entstehen in vermeintlich wenig innovativen Feldern wie dem Bildungssystem, dem Pflegesektor oder in der Verwaltung. Die Kultur- und Kreativwirtschaft bringt solche Innovationen – eben nicht wie am Fließband, sondern wie in der Werkstatt oder im Atelier – hervor. Im Open-Source Verfahren werden neue Umgangs- und Vergesellschaftungsformen erprobt, neue Konzepte und Formate entwickelt. Wie das Internet so funktioniert die Kunstwelt als Ganzes, funktionieren die lokalen Kreativszenen und ihre Institutionen wie Messen und Festivals als Resonanzkörper und Verstärker dieser Form von produktiver Schwarmintelligenz.

Eine sich als innovativ verstehende Kunstmesse hat hier die doppelte Funktion: Einerseits muss sie als prototypische partizipative Plattform ein Umfeld formen, dass den Prozess der Zirkulation, Mutation und Selektion von Ideen begünstigt. Andererseits hat sie sich selbst permanent in Frage zu stellen, radikal zu überdenken und neu zu erfinden. Dabei gilt es, einen der wichtigsten Grundsätze des Design Thinking zu beherzigen: Funktion vor Konvention! Wenn sich die Funktion einer Kunstmesse auch ohne Messehallen, Standboxen etc. erzielen lässt, dann schafft man sie eben ab. Wenn das Format Kunstmesse irgendwann mal keinen Sinn mehr ergibt, dann ersetzt man sie durch etwas Besseres, von dem naturgemäß noch niemand sagen kann, wie es aussieht. Auch das kann man schöpferische Zerstörung nennen, wenn man will. Aber ohne sind Innovationen nun mal nicht zu haben; der Fortschritt selbst ist und bleibt ein Work in progress.

Literatur:

Austin, Rob und Lee Devine: Artful Making, FT Prentice Hall, Upper Saddle River, 2003
Danto, Arthur C.: The Artworld, Journal of Philosophy 61 1964
Diederichsen, Diedrich: Sexbeat (Neuausgabe), KiWi, Köln 2002
Düllo, Thomas und Franz Liebl (Hrsg.): Cultural Hacking, Springer, Wien 2005
Kim, W. Cahn und Renée Mauborgne: Der Blaue Ozean als Strategie, Hanser, München 2005
Neumeier, Marty: The Designful Company, New Riders, Berkeley 2009
Menke, Christoph und Juliane Rebentisch: Kunst Fortschritt Geschichte, Kadmos, Berlin 2006
OECD (Hrsg.): The New Nature of Innovation, www.newnatureofinnovation.org 2008
Rushkoff, Douglas: Die neue Renaissance, Riemann, München 2006
Wolfe, Tom: The Electric Kool-Aid Acid Test, Bantam, New York 1996


*Original: “It could not have been art fifty years ago, but then there could not have been, everything being equal, flight insurances in the Middle Ages, or Etruscan typewriter erasers. The world has to be ready for things, no less than the real world.”

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.