Subversive Simpsons

Die 20th Century Fox will den Vertrieb eines Buchs über die Comicserie untersagen. Von Holm Friebe, erschienen am 12.09.2001 in Jungle World.

 

Wie wär’ das also, wenn ich jetzt hier einfach mal “Simpsons” hinschriebe? Simpsonssimpsonssimpsonssimpsons … Wär’ das dann schon ein justiziabler Vorgang? Normal nicht, oder? Vorsicht! “Die Simpsons” sind nicht nur eine subversive und von allen geliebte Comicserie, sondern vor allem auch eine eingetragene Marke im Besitz der 20th Century Fox. Damit hält die Fox sämtliche internationalen Nutzungs- und Verwertungsrechte und vergibt Lizenzen für die Weitervermarktung und das Merchandising.

 

Eine Marke ist nach dem Markengesetz “ein Zeichen, das geeignet ist, die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von den Waren und Dienstleistungen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden”. Für den Fall der missbräuchlichen Verwendung durch Dritte heißt es weiter: “Der Inhaber kann den Verwender des Konfliktzeichens auf Unterlassung in Anspruch nehmen” (Paragraf 14 Abs. 5 bzw. Paragraf 15 Abs. 4 MarkenG). “Wird die Verletzungshandlung vorsätzlich oder fahrlässig begangen, ist der Verletzer dem Inhaber der Marke zum Ersatz des durch die Verletzungshandlung entstandenen Schadens verpflichtet.” (Paragraf 14 Abs. 6 bzw. Paragraf 15 Abs. 6 MarkenG). Von daher ein klarer Verstoß gegen das Markengesetz.

 

Andererseits gilt für den “zulässigen Drittgebrauch” gemäß Paragraf 23 MarkenG, dass der Markeninhaber einem Dritten nicht untersagen kann, seinen Namen zu Zwecken der Beschreibung zu benutzen. Ergo: Ich kann hier so oft Simpsons hinschreiben, wie ich will, solange es nur der Beschreibung der Marke “Simpsons” dient. Auch die Verwendung im Wissenschafts- und Kunstkontext ist uneingeschränkt zulässig. Aber genau da wird es schwammig, fängt der Ärger an und hört der Spaß auf.

 

In der letzten Zeit nähmlich ist gerade das Markenrecht zu einem Instrument der Zensur geworden. Die Rechtsabteilungen der Konzerne oder eigens spezialisierte Anwaltsbüros setzen es immer häufiger ein, um die virtuellen Claims ihrer Marke zu verteidigen und die Berichterstattung zu kontrollieren. Und die Beträge, um die es bei den zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen geht, übersteigen das im Strafrecht vorgesehene Strafmaß – etwa für Beleidigungen – um das zigfache.

 

Nicht nur die Zeitschrift Titanic, auch zahllose ahnungslose Websitebetreiber, die es gewagt haben, das kleine Wörtchen “Explorer” auf ihrer Seite erscheinen zu lassen, ohne auf Microsoft zu verweisen, können ein Lied davon singen. Inzwischen gehen die Markenfirmen und auch Medienkonzerne dazu über, gar nicht mehr hinzuschauen, was im Einzelnen verbreitet wird, sondern flächendeckend alles, was im Netz oder auf Papier Ähnlichkeit mit der Marke hat, zu unterbinden. Meist geschieht das in Form standardisierter Abmahnschreiben, bei denen ein Gebührensatz von mehreren tausend Mark zu Lasten der Empfänger anfällt.

 

Das Internet hat diese Entwicklung in zweierlei Hinsicht befördert. Erstens erleichtert es den Inkriminatoren die Recherche, zweitens birgt gerade das bei Domainnamen noch recht unausgegorene Markenrecht ungezählte Fallen für den Laien, in die er ohne Vorsatz hineintappt. Unmerklich wächst damit der Einfluss, den Firmen und Marken auf das öffentliche und private Leben nehmen.

 

Vor einiger Zeit scheiterte der Vorstoß des Schokoladen- und Überraschungsei-Herstellers Kinder, mittels Markenrecht die österreichische Domain kinder.at freizuklagen. Allein das Ansinnen zeigt schon, wie dreist auch generische Begriffe und allgemeingültige Symbole über das Marken-, Patent-, Urheber- und Geschmacksmusterrecht einkassiert werden können.

 

Deshalb darf etwa die Band ohne Namen nicht mehr “Allianz” heißen und deshalb mussten die 14jährige Katharina Dücker und andere enthusiastische Teenager ihre Harry Potter-Fanpages aus dem Netz nehmen.

 

Jüngstes Beispiel in dieser Reihe ist die Strafandrohung von 20th Century Fox gegen den kleinen Marburger Schüren Verlag, mit der die Auslieferung des Buches “Die Simpsons – Subversion zur Prime Time” verhindert werden soll. Der von Michael Gruteser und Thomas Klein herausgegebene Band reiht sich nahtlos ins Programm des Verlages ein, der sich mit Büchern zu Film und populären Medien einen Namen gemacht hat.

 

In bester Cultural Studies-Manier werden darin die kultur- und gesellschaftskritischen Implikationen der vermeintlichen Kinderserie ausgelotet. Ein verdienstvolles und längst überfälliges Projekt, das eigentlich im Sinne der Erfinder und Rechteinhaber sein müsste. Sollte man meinen und meint auch Verlegerin Anette Schüren, die die Welt nicht mehr versteht: “Damit schaden wir der Serie doch gar nicht, im Gegenteil”, sagt sie. Aber darum geht es der 20th Century Fox auch gar nicht, sondern im Gegenteil: ums Prinzip.

 

Dabei stehen die juristischen Chancen in diesem Fall für Schüren gar nicht schlecht. Mit einem Verweis auf den Schutz der freien Wissenschaft kontert der Verlag in einer Presseerklärung, “dass der wissenschaftliche Diskurs nicht behindert werden darf. Insbesondere kann nicht unter Hinweis auf das Markenrecht die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit einem popkulturellen Phänomen untersagt werden.”

Die im Band reproduzierten Abbildungen seien somit als “Bildzitate” zu betrachten und würden insgesamt weniger als 20 Prozent des Gesamtumfanges ausmachen. Auch wenn dieser Fall glimpflich ausgehen sollte, schmälert das nicht das Unbehagen über die Tendenzen in der Anwendung des Markenrechts im Allgemeinen und im Besonderen darüber, dass die subversivste aller Comicserien einem Konzern gehört, der überhaupt keinen Spaß versteht.


Lustig in diesem Zusammenhang ist, dass die “Simpsons” ihrerseits des Öfteren Anlass zur Klage boten. Dieser Sachverhalt wird im Vorwort des inkriminierten Bandes ausführlich gewürdigt: “In vollem Bewusstsein, dass man an einer kommerziell exponierten Stelle – der Prime Time – produziert, versucht das Autorenkollektiv der Simpsons gemeinsam mit ihrem Schöpfer Matt Groening, so weit wie möglich zu gehen. Das bedeutet nicht zuletzt, das Verständnis von Kommerz zu dehnen. Im Verlauf der Serie mussten sich real existierende Medienpersönlichkeiten und Produkte daran gewöhnen, nicht unbedingt werbewirksam reflektiert zu werden. Das Recht auf diese Reflexion haben sich die Simpsons inzwischen mit einer gewissen Narrenfreiheit erworben, und der amerikanische Volkssport sueing [i.e. Verklagen] scheint an dieser Produktion vorbeizugehen. Vielleicht hat man sich inzwischen aber auch an ein Popularitätskonzept gewöhnt, in dem any news good news sind.” Schön für die “Simpsons”, nur bei 20th Century Fox hat man sich an das neue Konzept noch nicht gewöhnt.

In Jungle World.

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